Die Universitätsspitäler der Schweiz warnen vor dem finanziellen Kollaps

Die Universitätsspitäler stehen vor massiven Herausforderungen. Nach einem Verlust von gesamthaft über CHF 200 Millionen im Jahr 2022 wird in diesem Jahr mit einem Verlust von gegen CHF 300 Millionen gerechnet. Der zunehmende Mangel an qualifiziertem Personal, nicht kostendeckende Tarife, die Teuerung sowie Nachwirkungen der Pandemie erschweren die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Versorgung.

2023-05-23, 08:29 Uhr

An der heutigen Medienkonferenz im Inselspital Bern haben Vertreterinnen und Vertreter der fünf Universitätsspitäler die zentrale Rolle ihrer Institutionen als tragende Säule der Schweizer Gesundheitsversorgung sowie als Forschungsstätten und Ausbildungsinstitutionen betont. Angesichts der angespannten finanziellen Situation fordern sie als Sofortmassnahme eine Erhöhung der seit Jahren zu tiefen Tarife. Können sich die Universitätsspitäler bis Mitte Jahr mit den Verhandlungspartnern nicht auf kostendeckende Tarife einigen, sehen sich die Universitätsspitäler gezwungen, die bestehenden Tarifverträge zu kündigen. Weiter muss in den Tarifen die spezifische Kostenstruktur der verschiedenen Spitalgattungen berücksichtigt werden. Bei der geplanten Änderung der Tarifermittlung im Rahmen der KVV-Revision würden diese Unterschiede wegfallen und die Unispitäler mit Regionalspitälern verglichen. Dies würde weitere ungedeckte Kosten von rund CHF 500 Mio. zur Folge haben.

Die ungenügende Finanzierung gefährdet den Auftrag der Universitätsspitäler
Die Universitätsspitäler befinden sich in einer paradoxen Situation: Obwohl sich viele Patientinnen und Patienten an den Universitätsspitälern behandeln lassen, resultieren Defizite. Die Tarife decken die Kosten bei Weitem nicht mehr. Im Jahr 2022 betrug der kumulierte Verlust rund CHF 200 Mio. Für das Jahr 2023 wird ein weiterer Anstieg auf rund CHF 300 Millionen erwartet. Zu bedeutenden Mehrausgaben tragen in diesem Jahr insbesondere Lohnanpassungen für das Spitalpersonal, steigende Energiepreise sowie die Teuerung bei. Zudem können viele Universitätsspitäler aufgrund des Personalmangels nicht mehr alle Betten betreiben. Demgegenüber wurden die Tarife weder im ambulanten noch im stationären Bereich nicht einmal der Teuerung angepasst. Vielmehr wurden bei den ambulanten Leistungen einzelne Vergütungen weiter reduziert. Bei der aktuell stark vorangetriebenen Verlagerung in den ambulanten Bereich bedeutet die Unterdeckung der ambulanten Tarife weitere Verluste. Die Universitätsspitäler erbringen immer mehr hochstehende Leistungen für die Bevölkerung und wollen diese aus eigener Kraft finanzieren. Wenn die Tarife nicht kostendeckend sind, werden sich die Trägerkantone in Kürze gezwungen sehen, Massnahmen zur Stützung und Sanierung der Universitätsspitäler zu ergreifen.

Enorme Herausforderungen in Bezug auf das Personal
Der Mangel an qualifiziertem Personal ist bereits seit einigen Jahren spürbar und wurde durch die Pandemie noch verschärft. Die demografische Entwicklung sowie veränderte Anforderungen an das Arbeitsumfeld sind einige der Gründe für diese Situation. Die Krankheitslast ist nach der Covid-Pandemie auch bei den Mitarbeitenden spürbar. Die Absenzenquote stieg 2022 auf 7.9%, was einen Anstieg von fast 50% gegenüber der Zeit vor der Pandemie bedeutet. Trotzdem bleiben die Universitätsspitäler mit der grossen Sinnhaftigkeit der Arbeit, den vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten sowie einer fairen Entlöhnung auch in Zukunft attraktive Arbeitgeber. Die Spitäler unternehmen enorme Anstrengungen und haben auch bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Arbeits- und Anstellungsbedingungen weiter zu verbessern. Die meisten dieser Massnahmen erhöhen jedoch zugleich die Personalkosten und belasten damit die Spitalfinanzen zusätzlich.

Forschung, Lehre und Innovation
Die Universitätsspitäler stiften mit ihren Forschungs-, Lehr- und Innovationsprojekten einen unmittelbaren Nutzen für Patientinnen und Patienten. Die Forschungstätigkeit soll den Zugang zu optimalen Therapien verbessern, die Medizin weiterbringen und Grundlagen für die Medizin der Zukunft schaffen. Im Jahr 2022 gab es an den Universitätsspitälern 1’152 Forschungsgruppen, 10'601 wissenschaftliche Publikationen wurden veröffentlicht, 67 Patente angemeldet und 22 Start-up gegründet. Neben der klassischen medizinischen Forschung setzen sich die Universitätsspitäler auch für die Verbesserung der Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung ihrer Betriebe ein und tauschen sich dazu aus, z.B. mit der Teilnahme an der Initiative des Bundes «Vorbild Energie und Klima» oder der Initiative der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) zur Bildung eines Konsortiums für nachhaltige Gesundheit und ökologischen Wandel des Gesundheitssystems. 

Politische Fehlregulierung bremsen
Die unzähligen Reformprojekte des Bundes, die zurzeit im Parlament diskutiert werden, haben konkrete Auswirkungen auf die Universitätsspitäler. Immer mehr Regularien bei gleichzeitiger Einengung des Handlungsspielraums erschweren es den Universitätsspitälern, ihre Unternehmen mit den derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben. Die wirtschaftliche Situation wird sich verschärfen und es müssen rasch Antworten gefunden werden, wie die Finanzierung von Gesundheitsleistungen in Zukunft gestaltet wird. Die Universitätsspitäler sind sich ihrer eigenen Verantwortung zur Kostendämpfung bewusst und optimieren Prozesse sowie Angebote. Die Insel Gruppe hat kürzlich beispielsweise die Schliessung zweier Spitäler beschlossen. Aber: Ohne die Anerkennung der besonderen Leistungen von Universitätsspitälern und entsprechend angemessenen Tarifen ist eine Weiterführung der universitären Betriebe kaum mehr möglich. Bertrand Levrat, Direktor des HUG und Präsident der unimedsuisse, betont: «Die aktuellen politischen und finanziellen Rahmenbedingungen gefährden die Universitätsspitäler. Um weiterhin höchste Leistung in Medizin, Lehre und Forschung betreiben und attraktive Arbeitgeber bleiben zu können, braucht es rasch Massnahmen».

Die Universitätsspitäler können nicht länger warten
Die Universitätsspitäler fordern die Verhandlungspartner auf, angemessene Tarife anzubieten. Ohne kostendeckende Tarifangebote sehen sich die Universitätsspitäler gezwungen, die bestehenden Tarifverträge per Ende 2023 flächendeckend zu kündigen. Zudem fordern die Universitätsspitäler das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf, die Sonderstellung der Universitätsspitäler (separate Benchmarking-Kategorie) bei der laufenden Diskussion um die Tarifermittlung im Rahmen der anstehenden KVV-Revision zu berücksichtigen. Die Universitätsspitäler warnen davor, dass die Revision die bereits kritische Tarifsituation weiter verschärfen wird.

Werden die Preise respektive die Tarife nicht der Realität angepasst und die spezifischen Kostenstrukturen der Universitätsspitäler bei der Tarifermittlung nicht berücksichtigt, werden in absehbarer Zeit die Standortkantone der Universitätsspitäler Rettungsschirme vorbereiten müssen, um die Spitäler vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren.

Die Referierenden an der Medienkonferenz waren:

  • Gabi Brenner, Direktorin Pflege & Co-Direktorin Pflege & MTTB des Universitätsspitals Zürich (USZ)
  • Nicolas Demartines, Prof. Dr MD, Directeur général du Centre hospitalier universitaire vaudois
  • Uwe E. Jocham, Dr. med. h.c., Direktionspräsident Insel Gruppe Bern
  • Werner Kübler, Dr. med. MBA, Spitaldirektor & Vorsitzender der Spitalleitung des Universitätsspitals Basel (USB)
  • Vanessa Kraege, Dre MD MBA, Stellvertretende medizinische Direktorin des Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV)
  • Bertrand Levrat, Directeur général des Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) & Präsident Universitäre Medizin Schweiz
  • Gregor Zünd, Dr. med., Vorsitzender der Spitaldirektion & CEO des Universitätsspitals Zürich (USZ)

Kontakt für Fragen:
Agnes Nienhaus, Geschäftsführerin Universitäre Medizin Schweiz,
031 306 93 85 / agnes.nienhaus@unimedsuisse.ch

Medienauskunftsstelle

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Caroline Johnson

Mediensprecherin

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