«Ich kenne kein anderes Spital, das dieses Modell so lebt»
15. September 2021, Tanja Steiger
Was ist neu?
Die ehemaligen Bereiche sind neu in medizinische Departemente aufgeteilt, die ausgehend von organ- und krankheitsbezogenen Synergien definiert wurden. Jede Departementsleitung besteht aus drei gleichberechtigten Führungsverantwortlichen: Eine Person aus dem ärztlichen Bereich, eine aus dem Pflegebereich und eine aus dem Bereich Betriebswirtschaft. So soll die interprofessionelle Zusammenarbeit gefördert werden.
2023-11-29, 12:59 Uhr
Wer bildet das neue Führungsteam «Brust, Bauch und Becken»?
Der ärztliche Departementsleiter ist Prof. Walter Paul Weber, seit 20 Jahren Arzt am Universitätsspital Basel, Chefarzt Brustchirurgie.
An seiner Seite steht Bettina Steinle-Feser als Departementsleiterin Pflege/MTT, ausgebildete dipl. Pflegefachfrau Fokus Kinder, studierte Pflegewirtin sowie Master of Science in Nursing, mit jahrzehntelanger Erfahrung in Leitungspositionen der Pflege.
Der Dritte im Bunde und als Departementsmanager zuständig fürs Betriebswirtschaftlich-Administrative ist Cyrill Voegelin, MSc Business & Economics, seit 2013 in diversen administrativen und betriebswirtschaftlichen Positionen am USB tätig.
Was ist der Gedanke hinter dem neuen Teamführungsmodell?
Das Hauptziel des neuen Modells ist mehr Patientennutzen durch eine noch höhere Behandlungsqualität: Indem die fachverwandten Disziplinen zusammengerückt sind, stehen der Patient und seine Bedürfnisse noch mehr im Fokus – die Behandlung wird ganzheitlich analysiert und verbessert. Aber was bedeutet das im Einzelfall? «Der Patient oder die Patientin soll möglichst schonend, ohne Überbehandlung, möglichst wirksam und möglichst schlank durch alle Abläufe im Spital geführt werden», erklärt Prof. Walter Paul Weber.
Schlagwort Interprofessionalität?
Dass sich verschiedene Berufsgruppen fachübergreifend und im steten Austausch gemeinsam um einen Patienten oder eine Patientin kümmern, ist im Unversitätsspital Basel seit langem an der Tagesordnung. Dass sich dies aber auch auf Führungsebene so klar durchzieht, ist ein bewusstes Statement der Spitalleitung. «Wir haben eine gemeinsame Zielrichtung und es ist wichtig, dass wir diese als Führungscrew vorleben. Es kommt immer den Patientinnen und Patienten zugute, wenn die Berufsgruppen nicht nebeneinander, sondern wirklich miteinander arbeiten», so Bettina Steinle-Feser. Cyrill Voegelin ergänzt: «Die drei Berufsgruppen sind ja nicht nur bei uns auf Departementsstufe, sondern auch in der Spitalleitung und natürlich auf Klinikebene vertreten. So besteht auf jeder Ebene die Möglichkeit, auf Expertenwissen zurückzugreifen. Das finde ich sehr konsequent umgesetzt, spannend und auch sehr zukunftsträchtig.»
Was war die Ausgangslage für das neue Modell?
«Wir sind eine Expertenorganisation und die neue Organisationsform erkennt an, dass niemand alleine das ganze Wissen in sich tragen kann. Sie basiert darauf, dass die enge Vernetzung der drei grossen Gruppen Betriebswirtschaft, Medizin und Pflege zu einem besseren Ergebnis für unsere Patienten und Patientinnen führt», bringt Bettina Steinle-Feser die Vision hinter dem neuen Führungsmodell auf den Punkt. Dazu kommt die zunehmende Komplexität im Gesundheitswesen: Spezialisierung wird immer wichtiger, der Fokus auf Teilgebiete der Medizin nimmt zu, Innovation gewinnt immer mehr an Bedeutung – all das kostet, weiss Departementsleiter Cyrill Voegelin: «Wir wollen uns ständig weiterentwickeln, innovativ sein und auch in Zukunft Spitzenmedizin anbieten können. Hierfür braucht es Investitionen in einem Umfeld, in welchem der Kostendruck immer grösser wird. Daher ist eine gemeinsame Führung für die Priorisierung und Bewertung des Ressourceneinsatzes sehr wichtig, damit wir auch zu einem späteren Zeitpunkt beste Behandlungsqualität für die Gesundheitsregion Basel bieten können.»
Lebt das Unispital Basel gerade ein Pioniermodell?
Eine duale Führungsrolle aus Pflege und Arzt oder Ärztin ist im Spitalwesen weit verbreitet. Ein interprofessionelles gleichberechtigtes Trio wie das neue Leitungsteam ist aber neu, erklärt Bettina Steinle-Feser: «Die Anerkennung der drei Berufsgruppen finde ich in diesem Modell konsequent umgesetzt. Ich kenne kein anderes Spital, dass das so lebt.» Diesen Pioniercharakter sieht Prof. Walter Paul Weber als mutigen Entscheid der Spitalleitung – und als Vertrauensvotum. Wir wollen wirtschaftlich besser abschneiden ohne jegliche Einbusse bei der Behandlung, und das ist nur möglich, wenn man das auf Augenhöhe jeden Tag gemeinsam diskutiert.»
Welche Aufgaben haben die einzelnen Teammitglieder?
Prof. Walter Paul Weber ist als ärztlicher Departementsleiter primär für die ärztlich-medizinischen Aufgaben zuständig. Er steht den Ärztinnen und Ärzten der verschiedenen Kliniken vor und sorgt dafür, dass diese die bestmögliche Behandlungsqualität bieten – natürlich immer im gewünschten finanziellen Rahmen. «Wir versuchen, die medizinische Betreuung kostendeckend zu verbessern, indem wir die Prozesse überprüfen und schützend einwirken – das ist meine Hauptaufgabe.» Was Prof. Weber im ärztlichen Bereich macht, ist Bettina Steinle-Fesers Aufgabe im pflegerischen Setting. «Ich sorge mit guten Rahmenbedingungen, Coaching und Beratung dafür, dass meine Pflegeleute ihr Bestes geben. Dazu kommt – unter Berücksichtigung aller ökonomischen Aspekte – auch die ganze Stationsorganisation.» Mit dem betriebswirtschaftliche Resultat beschäftigt sich Departementsmanager Cyrill Voegelin stark – momentan kümmert er sich ausserdem um die Budgetierung fürs nächste Jahr und treibt Prozessoptimierungs- sowie Ergebnisverbesserungsprojekte voran: «Trotz des Kostendrucks im Gesundheitswesen verlieren wir nie den Fokus auf den Patientenbezug – deshalb ist es auch wichtig, dass wir ein Trio sind und die Prozesse so ausrichten, dass sie möglichst effizient sind.»
Wie gefällt Ihnen Ihre neue Rolle bis jetzt?
«In der Pflege ist es schon länger so, dass man in den höheren Führungsstufen nicht mehr in die direkte Patientenversorgung eingebunden ist. Das macht es mir natürlich manchmal einfacher, mich in meiner neuen Funktion auf die Führung zu konzentrieren», sagt Bettina Steinle-Feser. Im ärztlichen Bereich steht Prof. Walter Paul Weber als Chefarzt Brustchirurgie nach wie vor regelmässig im OP – für ihn ist es eine Doppelrolle. «Der Einsatz fürs Departement nimmt zu – da werde ich Prioritäten setzen und Schwerpunkte anders legen müssen. Aber es ist sehr erfüllend und man kann viel Positives bewegen.» Diese Begeisterung teilt Cyrill Voegelin: «Ich finde die Projekte mit den Kliniken sehr spannend. Wir gehen auf die betreffenden Personen zu, teilweise bilateral in der Linie, teilweise auch als Führungsteam. Es ist spannend, ihr Geschäft mit weiterzuentwickeln und sie aktiv zu unterstützen.»
Wie findens eigentlich Ihre Mitarbeitenden?
Als «beobachtend» bringt Bettina Steinle-Feser die Grundstimmung der einzelnen Abteilungen gegenüber dem neuen Leitungsteam auf den Punkt, und ihre beiden Kollegen schliessen sich ihr da an. «Die Pflege sieht das neue Leitungsteam als grosse Chance: Es gibt ein klares Signal, dass die Pflege auch einen wichtigen Beitrag in der Patientenversorgung leistet.» Cyrill Voegelin erinnert daran, dass das Team erst seit knapp vier Monaten in dieser Departementsstruktur aktiv ist: «Bis jetzt sind die Feedbacks eher zurückhaltend – trotzdem spüre ich Wertschätzung von den Kliniken und Stationen.» Auch Prof. Walter Paul Weber fühlt eine gewisse Zurückhaltung – und hat manchmal den Eindruck, dass dem neuen Team auch etwas auf den Zahn gefühlt wird: «Es kommen jetzt sehr viele Anliegen auf uns zu. Es wird ein wenig getestet, wie hilfreich wir eigentlich sind und wie sehr wir uns da eingeben. In erster Linie wollen wir jetzt Vertrauen aufbauen – und den Spagat schaffen zwischen den Erwartungen des Mitarbeitenden und den Vorgaben des Spitals.»
Würden Sie sagen, Sie sind ein gutes Team?
Vor gut einem Jahr wurden die drei Leitungsteammitglieder ernannt. Die nächsten Monate begann das Team mit Vorarbeiten, bis es am 1. Mai 2021 dann offiziell losging. Obwohl man sich bereits vorher kannte, intensiviert sich der Kontakt ständig: «Man lernt sich immer besser kennen – bisher passt es sehr gut! Natürlich ist man ab und zu anderer Meinung, aber das gehört dazu und wir können alle damit umgehen.» Die Gründe für das gute Teamwork kennt Bettina Steinle-Feser: «Wir respektierten von Anfang an die Kompetenzen der anderen – eine sehr wichtige Voraussetzung. Ausserdem sind wir alle bereit zu Perspektivenübernahmen, ebenfalls entscheidend für hohe Qualität.» Auch Prof. Walter Paul Weber stimmt zu: «Als Leitung sind wir ein Trio, ein Dreierteam, das Allrounder-Funktionen hat. Wir besprechen immer alle Themen zusammen und stützen die anderen zwei, auch wenn es unser Fachgebiet anbelangt – deshalb die interprofessionelle, interdisziplinäre Leitung.»
Wir wünschen dem Leitungsteam gute Zusammenarbeit und viel Erfolg bei seinem weiteren Wirken!
Ebenfalls an einer herausfordernden Führungsposition in einem motivierten Team interessiert?